Über die Jahre heimisch geworden
„Weit davon entfernt, zu
Entspannung beizutragen, sondern voll und ganz von der beschriebenen Negativhaltung
geprägt sind die österreichischen Asyl- und Fremdengesetze. Das Regelwerk, das
Ausländern den Aufenthalt im Land entweder erlaubt oder verbietet, mit denen
der Staat Österreich sie sozusagen begrüßt, setzt voll und ganz auf
kompromisslose Härte.
Die Folgen davon – das
Leiden, das dadurch entsteht – sind durch die Abschiebeskandale der vergangenen
Wochen sichtbar geworden. Dass diese allesamt abgewiesene Asylwerber betrafen,
schließt sie aus dem Integrationszusammenhang nicht aus: Anders als es seit
Jahren aus dem Innenministerium tönt, ist das Thema Asyl bei
langzeitintegrierten Flüchtlingen eine Migrationssache.
Auch Flüchtlinge – und Flüchtlingsfamilien mit Kindern – werden über die Jahre
hierzulande heimisch.“
IRENE
BRICKNER in „Die verhinderte Integration“ – STANDARD 22.10.2010
Wie man Flüchtlingskinder nachhaltig traumatisiert
(….. ) Kinder mit Migrationshintergrund und jedenfalls Kinder aus
Flüchtlingsfamilien, haben mit biografischen Belastungen umzugehen, die sich
aus Erlebnissen von Entwurzelung, Verlust, vielfältiger Bedrohung, Armut und
Gewalt konstituiert, die alle Merkmale einer komplexen, psychischen
Traumatisierung aufweisen.
Wollte man also – bösartiges
Gedankenspiel – ein Situationsgefüge konstruieren, aus dem ein Kind unter
Garantie schwer und nachhaltig verletzt hervorginge, so müsste man ein primär traumatisiertes Flüchtlingskind geringen Alters auswählen,
es ohne irgendeine Vorbereitung durch uniformierte Beamte von seiner wegen
Suizidgefahr hospitalisierten Mutter trennen und dann
an einen ihm unbekannten Ort bringen lassen.
Dass derartige Situationen
in unserem Land tatsächlich passieren, hinterlässt uns Kinder- und
Jugendpsychiater/innen fassungslos und in großer Sorge. Es ist die Aufgabe
eines Wohlfahrtstaates wie Österreich, für das Wohlergehen seiner schwächsten
Schutzbefohlenen – und psychisch verletzte Kinder sind unter diese schwächsten
Schutzbefohlenen zu rechnen – tatsächlich zu sorgen und sich nicht unter
Zuhilfenahme fadenscheiniger Argumente darum herumzustehlen.
Um der Unterstützung dieser
schwächsten Schutzbefohlenen ein stabiles Fundament zu geben, ist es höchst an
der Zeit, die UN-Kinderrechtskonvention in den Verfassungsrang zu heben. Die
bloße Ratifizierung stellt lediglich die Feigheit eines Landes bloß, in dem vor
beinahe hundert Jahren Menschen wie Anna Freud, August Aichhorn
oder Rene Spitz darüber nachdachten, was traumatisierte Kinder wirklich
brauchen. Aber offenbar hat man das vergessen.
Insgesamt fänden wir es dem
Wohlstand und dem Selbstverständnis unseres Landes entsprechend, grundsätzlich
jede Abschiebungsmöglichkeit von Kindern und Jugendlichen mit ihren Familien
aus dem Repertoire rechtsstaatlichen Handelns zu streichen und die
breitestmögliche Grundlage für deren Integration zu gewährleisten.
KATHARINA
PURTSCHER – PAULUS HOCHGATTERER – LEONHARD THUN-HOHENSTEIN - Präsidentin und
Vizepräsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und
Jugendpsychiatrie – STANDARD 22.10.2010
„Recht muss Recht bleiben“ ist Unrecht
…….
Im Kampf um demokratische
Freiheitsrechte war das Legalitätsprinzip durchaus eine brauchbare Waffe. Es
sollte aber nicht den Sinn dafür vernebeln, dass die Rechtsordnung den Menschen
dienen sollte und nicht die Menschen der Rechtsordnung.
Letzteres aber geschieht,
wenn man das Legalitätsprinzip zum Götzen erhebt und mit der Litanei „Recht
muss Recht bleiben“ tagaus, tagein anbetet. Denn dann gibt es eben kein Natur-
und Menschenrecht mehr, kein Gewohnheitsrecht oder gar den Gottseibeiuns der
„normativen Kraft des Faktischen“.
…………..
Dass Österreicher sich
plötzlich an menschliches Mitgefühl, etwa an Kinderrechte erinnern, ist ein
gutes Zeichen. Dass es Kinderrechte (= Menschenrechte) so lange nicht gibt,
solange sie nicht in der Verfassung stehen, ist eine Schande für unsere als
humanistisch gelten wollende Gesellschaft.
PETER
WASSERVOGEL – Jurist - STANDARD,
21.10.2010
Feindbilder
„Feindbilder dienen allein
dem Zweck von eigenen Aggressionen abzulenken und eigene Probleme zu
kaschieren.“
MARGARETE
MITSCHERLICH – 93 Jahre - in ihrem neuen
Buch „Die Radikalität des Alters“
Herstellung von möglichst viel Gerechtigkeit
„Entgegen einem in letzter Zeit
besonders häufig auftretenden Missverständnis ist der Rechtsstaat nicht etwa
dadurch gekennzeichnet, dass er bei der Vollziehung der Gesetze (….) besonders
energisch durchgreift – das können die modernen Despotien weit besser -,
vielmehr trachtet er gerade danach, seine Machtmittel vorsichtig, wohldosiert
und erst dann einzusetzen, wenn sich dies nach den rationalen, übergeordneten
Prinzipien des Rechts als notwendig erweist. Der Rechtsstaat bildet den
Versuch, den Staat zur Herstellung von möglichst viel Gerechtigkeit zu
konstruieren und zu benutzen.“
ELSA HACKL
– Politikwissenschafterin – zitiert den Schweizer Strafrechtler PETER NOLL in
ihrem STANDARD-Kommentar „Versündigt euch nicht gegen
das Kind“ – 20. 10. 2010
Skandalös und gegen UN-Kinderrechtskonvention
Skandalös jedoch ist, dass
die Jugendlichen im Fremdenrechtsverfahren, als etwa wenn es um ihre
Abschiebung geht, schon ab 16 als erwachsen gelten. Das widerspricht der
UN-Kinderrechtskonvention.
Das De-facto-Arbeitsverbot
müsste beseitigt werden. Absolviert ein Jugendlicher während des Asylverfahrens
die Schule, so kann er oder sie mit keiner Lehre anfangen; denn diese gilt als
Job. So hängen sie oft jahrelang ziellos herum, das ist für Jugendliche
besonders grausam.
HEINZ
FRONEK – Psychologe und NGO-Experte – im Beitrag „Für Jugendliche besonders
grausam“ – STANDARD 19. 10. 2010
Gut, nur weil es Gesetz ist ?
„Ich freue mich, dass hier
Schüler, Schülerinnen und die Schülervertretung aktiv werden. Man kann ja nicht
jedes Gesetz, nur weil es Gesetz ist, gut finden. Gesetze sind auch Änderungen
unterworfen. Man kann auch sagen: Ich bringe durch diesen Protest zum Ausdruck,
dass ich dieses Gesetz für schlecht halte und die Praxis der Polizei im
konkreten Fall ebenfalls. Ich würde als Schuldirektorin hier auf keinen Fall
einen Schülerprotest untersagen. Das ist ja genau das, was wir in politischer
Bildung lehren.“
HEIDI
SCHRODT – Gymn.-Dir. Und Gastprofessorin an der Uni Klagenfurt – im STANDARD-Interview 18.10.2010
Was der gesunde Menschenverstand verbietet
„Wer sich unentwegt in
dieser Grenzzone niederlässt, verliert irgendwann den natürlichen Instinkt für
das, was sagbar ist und was nicht, was sich gehört und was der Menschenverstand
verbietet. Dann ist man zu keinen Zwischentönen mehr fähig und braucht Tage, um
einen Übergriff gegenüber Kindern als solchen wahrzunehmen. Dann diskrediert man den eigenen richtigen Standpunkt. Dann kann
man kein guter Anwalt der Rechtsstaatlichkeit sein, mag man sich noch so oft
auf sie berufen.“
HUBERT
PATTERER – „Vom Verlust des Instinkts“ – NEUE AM SONNTAG, 17.10.2010
Salz in die Wunden
STANDARD: (….. ) Mancher
meint, da werde etwas übertrieben, inszeniert. Was sagen sie als Psychiater
dazu?
ALLAHYARI: Wer so redet,
ignoriert, dass ein hoher Anteil nach Österreich kommender Flüchtlinge
einschneidende, schockierende Dinge erlebt hat und an einer posttraumatischen
Belastungsstörung leidet. Ich behandle eine Reihe dieser Menschen und frage
mich oft, inwieweit Asylbeamte geschult sind, die Symptome zu erkennen – die
breite Öffentlichkeit ist es ja ganz offensichtlich nicht.
STANDARD: Was sind die
Folgen eines derartigen Traumas?
ALLAHYARI: Es können starke
Ängste, Depressionen, Suizidgedanken sein, es kann sogar bis hin zu einem schizophrenen
Krankheitsbild gehen. Dazu kommen schwere körperliche Beschwerden. Die
Betroffenen hoffen in Österreich auf Schutz und Heilung. Oft ist leider das
Gegenteil der Fall. Die derzeitige Asylpolitik streut den Verfolgten noch Salz
in die Wunden.
HOUCHANG
ALLAHYARI – Psychiater und Filmemacher – 16.10.2010
Schubhaft mit Teddybär
Es ist immer schwierig, wenn
Recht und Gesetz mit weichen Kategorien wie Menschlichkeit oder Mitleid in
Konkurrenz treten. ……
Ein Staat kann Flüchtlinge,
denen kein Asylstatus zuerkannt wird, vom Leid enttäuschter Hoffnung nicht
befreien. Es kann nicht das Mitleid an die Stelle des Rechts setzen. Dann
Spräche nicht das Recht, sondern das Gefühl. Eine gerechtere Ordnung wäre das
nicht. Jeder Lehrer, Polizist oder Richter weiß das.
Und dennoch kann sich das
Recht auch ins Unrecht setzen. Diese Gefahr besteht, wenn sich die
Rechtssprechung unverhältnismäßig lange hinzieht, oder mit Mitteln exekutiert
wird, die dem Gebot der Verhältnismäßigkeit widersprechen.
(Bezugnehmend
auf die Abschiebung der beiden neunjährigen Zwillingsmädchen mit dem Vater -
aber ohne kranke Mutter! - in den Kosovo
beklagt Hubert Patterer
diesen Missstand – mit menschlich äußerst schmerzlichen Konsequenzen:)
Er führte dazu, dass die Familie
hier Wurzeln schlug, Bindungen einging, die Sprache erlernte und sich
rechtschaffen integrierte, also genau das tat, was der Staat will und wünscht.
Die Kinder kennen kein anderes Idiom als das Wienerische. Sie haben die
emotional prägenden Jahre hier zugebracht. ……
Auch die Wahl der Mittel
verrät nicht rechtsstaatliche Konsequenz, sondern rüden Grobianismus.
Man lässt Neunjährige nicht im Morgengrauen von einer bewaffneten Sondereinheit
abführen. Man steckt Mädchen in keine Schubhaft und legt zynisch einen
Teddybären in die Zelle. Und man schafft Kinder nicht außer Landes und lässt
die Mutter im Krankenhaus zurück. Ein Rechtsstaat, der es nötig hat, seine
Unbeugsamkeit an Minderjährigen zu exemplifizieren, ist nicht souverän, sondern
unsicher und schwach.
HUBERT
PATTERER in <NEUE am Sonntag> 10. Oktober 2010
Als pure Bedrohung erlebt…..
Die Lehrerinnen und Lehrer an der Wiener Schule BORG
3 erlebten am 13. 10. 2010 einen Abschiebe-Versuch ihrer Schülerin Araksi M. hautnah mit. In einer gemeinsamen Stellungnahme
schildern sie den Verlauf der fremdenpolizeiliche Aktion, die sie, wie sie
schreiben, auch persönlich „als pure Bedrohung erlebt“ haben. Abschließend
heißt es in diesem Dokument:
„Wir lassen uns unsere
Integrationsarbeit nicht durch Grenzüberschreitungen gefährden! Überdies zeigt
die Vorgangsweise der FremdenpolizistInnen auch, dass
sie offensichtlich auf einer nicht exekutierbaren Rechtsgrundlage agieren
müssen. Allein der Versuch eine Schülerin aus dem Klassenverband herauszureißen
hat nachhaltig zu großer Verstörung und Verunsicherung bei MitschülerInnen
und LehrerInnen geführt.
Es wird die Pflicht der
Regierung sein, die Gesetzesgrundlage und die Mittel für eine humane Asylpraxis
bereit zu stellen. So plump und inhuman, wie derzeit gehandelt wird, kann es
nicht bleiben!
Die LehrerInnen
des BORG3“
Europarat rügt Aserbaidschan
Knapp ein Jahr nach der
Inhaftierung zweier junger Bürgerrechtler in Aserbaidschan hat der
Menschenrechtskommissar des Europarates einen Bericht über die Lage in der
früheren Sowjetrepublik vorgelegt und dabei Kritik an Regierung und Behörden
geübt. Aserbaidschan müsse dringend den Schutz der Meinungsfreiheit verbessern,
verlangte Thomas Hammarberg in dem Bericht. Die
Darstellung der Staatanwaltschaft im Falle der beiden Bürgerrechtler nannte er
„nicht wahrheitsgemäß“.
MARKUS
BERNATH im STANDARD, 5. Juli 2010
Es gab einmal so etwas wie ….
Es gab einmal so etwas wie
Gastrecht,
es gab einmal so etwas wie
Nächstenliebe,
es gab einmal so etwas wie
Solidarität.
Aber klar:
Um die Leute daran zu
erinnern, muss man eine gewisse Courage gegen den
Zeit-Ungeist aufbringen.
Eine Courage, die unter unseren Politikern und Journalisten leider sehr selten
geworden ist.
PETER
HENISCH – Schriftsteller - „Das Erschreckende an Frau F.“ im STANDARD,
26.6.2010
Vom Wohl des Kindes ausgehen
Juristinnen
verlangen Asyl für alle Fremden, die als Kinder eingereist sind.
Die
Richterinnen Barbara Helige und Maria Wittmann-Tiwald sowie die Anwältin Nadja Lorenz kritisieren
bei einer Pressekonferenz Arigonas Abschiebung. Im KURIER-Interview sprechen sie über die ausländerfeindliche
Stimmung im Land.
KURIER: Die Familie Zogaj ist illegal eingereist,
sie hat hier alles ausgeschöpft, jetzt muss sie wieder gehen. Was ist daran
nicht in Ordnung?
Maria Wittmann-Tiwald: Das Urteil des
Verfassungsgerichtshofes ist zu befolgen. Aber die Politik versteckt sich
dahinter. Man kann ja nicht sagen, der VfGH verbietet
die humanitäre Hilfe. Er sagt, es gibt Möglichkeiten für einen zukünftigen
Aufenthalt, und hier muss die Politik ansetzen. Sie sollte eine
Amnestieregelung für Personen schaffen, die als Kind ins Land gekommen und hier
integriert sind. Ich verweise auf die UN-Kinderrechtskonvention, die vom Wohl
des Kindes ausgeht.
Barbara Helige: Was auch kritikwürdig
ist, ist die Stimmung, die im Land herrscht. Und die auch gemacht wird. Da
kommt der Politik eine unrühmliche Rolle zu. Ein Mädchen ist unglücklich über
seine Abschiebung, Politik und Öffentlichkeit haben diese Situation genützt, um
die ausländerfeindliche Stimmung zu fördern.
Nadja Lorenz: Die Politik produziert solche Fälle. Es ist nicht
wesentlich, dass Arigona illegal ins Land gekommen
ist. Es geht um ein Mädchen, das sich gut integriert hat und in das wir viel
investiert haben. Hier wird ein Exempel statuiert, statt dass der Rechtsstaat
sich großzügig erweist.
Ist bei Großzügigkeit nicht zu befürchten, dass viele Arigonas
aufstehen?
Lorenz: Es werden genug Exempel in Härtefällen statuiert. Dass die
Gesetze bei uns rigide vollzogen werden, diese Botschaft ist längst angekommen.
Helige: Der Staat zeigt sich am
stärksten, wenn er dort, wo es angebracht ist, human agiert. Wir haben es nicht
notwendig, an einem jungen Mädchen ein Exempel zu statuieren, nur weil es sich
wehrt, in ein Land zu gehen, wo es nicht mehr daheim ist. Der Asylgerichtshof
sagt sogar, wir müssen besonders ein Exempel statuieren, weil sie sich
öffentlich geäußert hat. "Widerstand ist zwecklos!", das ist die
Botschaft. Im Urteil steht: "Der Eingriff ins Privatleben erscheint
notwendig zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, weil sie selbst die
Publizitätswirkung hervorgerufen hat."
Lorenz: Es wäre möglich gewesen, humanitäres Bleiberecht
anzuwenden. Aber es wurde auf die Spitze getrieben.
Helige: Weil es in die politische
Landschaft passt. Man glaubt, es ist der Bevölkerung wichtig. Man kann als
Politiker auch die Verpflichtung sehen, den Staat humanitär zu gestalten. Man
könnte Arigona auch ignorieren, aber man glaubt,
damit Wahlen gewinnen zu können. Wie im Burgenland. Ich finde es tröstlich,
dass der Bevölkerung das dann aber egal war.
Die Richter sind mit politischen Äußerungen zurückhaltend, so fern es
nicht um eigene Belange wie Personalnot geht. Warum springen sie diesmal über
ihren Schatten?
Helige: Ich melde mich auch als Richterin zu Wort, wenn es etwa um die
Menschenrechte geht. Gerichte sprechen Urteile in Einzelfällen, aber wie die
zukünftigen Einzelfälle zu lösen sind, ist Aufgabe der Politik.
Tiwald: Und wir haben diesen Fall
zum Anlass genommen, um auf die besondere Stellung des Kindes hinzuweisen.
Artikel vom 25.06.2010
im KURIER | Ricardo Peyerl
Höchstgericht rügt die Asylbehörden
Zeitgleich mit der Debatte ( Anm.: Parlamentsdebatte zur Causa Zogaj)
veröffentlichte der Verfassungsgerichtshof ein Urteil, in dem er feststellte.
Dass die Asylbehörden in einem anderen Fall „willkürlich“ entschieden hätten.
Die Missstände in diesem
Bereich sind zahlreich und groß, wie auch der Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger analysiert. …………..
Entwurzelung
Endlosverfahren führen dazu,
dass die Asylwerber jeden Bezug zu ihrem Herkunftsland verlieren; im besten
Fall schlagen sie hierzulande Wurzeln und integrieren sich. ………
Verfahrensqualität
„Die Verfahrensqualität ist
teilweise in Ordnung, teilweise nicht“, so Schmidinger.
Vom Verfassungsgerichtshof wurden erhebliche Mängel in einem konkreten Fall
aufgezeigt: Am 23. Jänner 2006 stellte ein Mann aus Ghana einen Asylantrag.
Noch im selben Jahr wurde dieser vom Bundesasylamt
abgewiesen. Der Mann ging in die Berufung. Erst 2010 wies der Asylgerichtshof
diese zurück. Wobei er keinerlei Recherchen durchführte, sondern einfach auf
Grund der Erkenntnisse aus dem Jahr 2006 entschied, denen zufolge der Mann
„nicht besonders gut“ integriert war. Die Höchstrichter haben nun befunden,
dass diese Vorgangsweise willkürlich ist.
Arbeitslosigkeit
Asylwerber dürfen keiner
legalen Erwerbstätigkeit nachgehen. Nichtstun macht viele lethargisch,
depressiv und letztlich integrationsunfähig, warnt Schmidinger.
Auszüge aus
einem Artikel von JOHANNES HUBER in den VN, 17. Juni 2010
Massive und systematische Verletzungen der
Grundrechte
„Stellen Sie sich vor, Sie
erhalten einen Rechtsbescheid, in dem es um Leben oder Tod geht, können ihn
aber weder lesen noch verstehen. Sie haben eine Woche Zeit, dagegen zu berufen,
dabei steht ihnen weder ein Dolmetscher noch Rechtsbeistand zur Verfügung.“
Heinz Patzelt – Generalsekretär Amnesty International Österreich
in:
VORARLBERGER NACHRICHTEN „Herbe Kritik an Asylpolitik“ – 27. Mai 2010
ASYLABWEHRAMT ?
Herr Philipp Schönborn,
München, hat uns diese Aufnahme geschickt:
Weitere Informationen unter www.asylabwehramt.at
"Gleichgültigkeit ist die
größte Sünde."
Wladyslaw
Bartoszewski - früherer polnischer Außenminister,
selbst Auschwitz-Überlebender,
am
5. Mai 10 beim Jahrestag der Befreiung des KZ-Mauthausen
Wissen Sie nicht...?
Dr. Susanne Scholl
<Gewissensfragen zum
Abschieben> nennt die frühere ORF-Korrespondentin
Dr. Susanne Scholl einen
offenen Brief an Kanzler Faymann, Innenministerin Fekter
und Außenminister Spindelegger: im STANDARD vom 8./9.
Mai 10.
Zu Beginn erzählt sie,
dass ihre Großeltern 1939 aus Nazi-Österreich nach
Belgien fliehen konnten. Aufgefordert das Land wieder zu verlassen, bedroht mit
Abschiebung „haben die Nazis sie in Belgien eingeholt – und ermordet.“
Ihr eigenes Leben
verdanke sie der Tatsache, dass England ihre Eltern nicht abgeschoben habe.
Acht Fragen stellt sie:
Als Österreicherin und
Mensch mit Gewissen frage ich Sie:
1. Wissen Sie nicht, dass
die große Mehrheit jener, die heute in Österreich Zuflucht suchen, das tut,
weil sie an Leib und Leben bedroht ist?
2. Wissen Sie nicht, was auf
die Menschen, die jetzt Tag für Tag wie Kriminelle außer Landes gebracht
werden, zukommt? Welches Schicksal die meisten dort erwartet, wohin sie von
Österreich aus verfrachtet werden?
3. Wissen Sie nicht, wie
viele jener, die jetzt plötzlich unbedingt abgeschoben werden müssen, seit
Jahren hier leben und nur eben das wollen: in Ruhe und Sicherheit hier leben?
4. Glauben Sie nicht, dass
schnelle und faire Asylverfahren die Lage wesentlich besser entspannen würden
als willkürliche Abschiebungen?
5. Glauben Sie nicht, dass
wirkliche Experten – also Menschen, die die Situation tatsächlich gut kennen –
die Lage in den jeweiligen Ländern, aus denen die Flüchtlinge kommen,
beurteilen sollten und nicht desinteressierte, überforderte Beamte?
6. Glauben Sie nicht, dass eine
Arbeitserlaubnis den Menschen eine Perspektive geben würde und auch verhindert,
was Sie Sozialschmarotzertum nennen?
7. Glauben Sie nicht, dass
zutiefst traumatisierte Menschen von ausgebildeten Psychologen und nicht von
überforderten Polizisten einvernommen werden sollten?
8. Glauben Sie nicht, dass
gerade Österreich eine besondere Verpflichtung hat, Menschen in Not zu helfen?
NICHT IN UNSEREM NAMEN
von
Elfriede Hammerl im profil -29. März 2010
Allerorten machen Andersdenkende
inzwischen ihrer Empörung Luft darüber, dass in ihrem Namen Menschen verstoßen
werden, deren einziges Vergehen darin besteht, am falschen Ort zur Welt
gekommen zu sein.
„Wir brauchen diese Kinder“
nennt sich beispielsweise eine Plattform im vorarlbergischen
Schruns, deren Mitglieder nicht einsehen, dass ein
Land, das ständig sein Geburtendefizit beklagt, auf vorhandenen Nachwuchs
verzichten will, weil er – ja, was denn nun? Fremde Gene in sich trägt?
Die Initiative
„Lichterkette“ und ein Aktionsforum „Damma wos“ rufen zu Protest auf.
„Arigona
muss bleiben, Fekter muss gehen“, fordert eine Facebook-Gruppe mit über 5000 Mitgliedern.
Und beherzten Einwohnern der
Vorarlberger Gemeinde Röthis gelang es vor Kurzem bekanntlich sogar, eine Abschiebung zu verhindern.
Als frühmorgens die Beamten kamen, um eine kosovarische
Familie abzuholen, waren an die vierzig Leute aus dem Ort schon da und fingen
an, mit ihnen zu diskutieren. Der friedliche Protest trug schließlich Früchte.
Die erwünschten Ausländer durften, vorläufig wenigstens, bleiben.
All das ist ebenfalls
Österreich. Wieso hören sie nicht auf diesen Teil der Bevölkerung, die
Innenministerin und der burgenländische
Landeshauptmann und alle die anderen, die behaupten, den Wähler zufriedenstellen zu müssen? Die Wählerstimmen dieser BürgerInnen sind ihnen nichts wert?
Auszug aus der Kolumne NICHT
IN UNSEREM NAMEN
von Elfriede Hammerl im profil -29. März 2010
"Muss ich jetzt auch ins
Gefängnis?"
von Maria Sterkl
| 17. März 2010, 15:13
Abschiebungen naher Bekannter lösen im
Umfeld Traumata aus - "Keine Abschiebung von Freunden", fordert eine NÖ-Gemeinde
Dass
der neunjährige Bernard Karrica seit dem 22. Februar
nicht mehr in die Schule kommt, geht juristisch betrachtet mit rechten Dingen zu.
Bernard wurde abgeschoben, weil der Asylantrag seiner Familie,
römisch-katholische Zugewanderte aus dem Kosovo, abgelehnt worden war. Das
findet selbst deren Rechtsberaterin Karin Klaric
nicht ungerecht: Es sei "ein wasserdichter Bescheid", den der Asylgerichtshof
hier produziert hatte. Trotzdem will der Protest nicht abreißen: "Keine
Abschiebung von Freunden", fordern mittlerweile 5000 UnterstützerInnen
der Initiative "Fußball verbindet", die von FreundInnen
der Familie des begabten Nachwuchskickers aus Muthmannsdorf in Niederösterreich
ins Leben gerufen worden war.
"Das gehört sich nicht"
Dabei
geht es der Initiative gar nicht darum, Bernard wieder nach Österreich zu
holen. "Dieser Zug ist abgefahren", sagt Karin Klaric.
"Wir protestieren dagegen, dass man Neunjährige ins Gefängnis sperrt und
abschiebt wie Vieh", sagt der Bauunternehmer Hans Jörg Ulreich,
Vater eines Fußball-Teamkollegen Bernards. "Gesetze hin, Gesetze her - das
gehört sich einfach nicht."
Wie
schon kürzlich bei der (vorerst) verhinderten Abschiebung in der Vorarlberger
Gemeinde Röthis (derStandard.at
berichtete) sind es nicht AsylberaterInnen oder
Menschenrechtsorganisationen, die sich für mehr Milde in der Asylpraxis einsetzen
- sondern das soziale Umfeld. Neu dabei ist, dass sie ihr Engagement nicht auf
den Einzelfall beschränken, sondern "sich mit anderen Betroffenen
vernetzen" wollen. Und Betroffenheit meint hier nicht die von Abschiebung
bedrohte Familie, sondern deren Umgebung.
Geschockte Kinder
Die
Ausweisung sei für alle überraschend gekommen. "Ich habe nicht einmal
gewusst, dass Bernard ein Ausländer ist", sagt Ulreich.
Weder die Klassenlehrerin noch die Direktorin waren über die bevorstehende
Abschiebung informiert. Bei Schul- und TeamkollegInnen
habe der Vorfall Schock und Ängste ausgelöst. "Muss ich jetzt auch ins
Gefängnis?", habe Ulreichs Sohn David, ein
Teamkollege Bernards, gefragt.
Die
Initiative fordert nicht nur mehr Rücksichtnahme bei künftigen Abschiebungen,
sondern eine Ausweitung des Bleiberechts. "Es gibt ja ein humanitäres
Aufenthaltsrecht. Man muss es nur mit Leben füllen", meint Ulreich.
(derStandart.at)
Link: www.fussballverbindet.org
Wenn der unbedingte Wille zum Schutz wehrloser Kinder
nichts mehr gilt …
Wie barbarisch kann eine Gesellschaft handeln, die sich selbst als
zivilisiert bezeichnet? Wie grausam kann ein Staat, dessen Bürger in nie
gekanntem Wohlstand leben, gegen die Schwächsten, Zartesten, Verletzlichsten
vorgehen?
Wenn die elementarste menschliche Tugend, das fundamentalste Quäntchen
Selbstverständnis als soziale Lebewesen, nämlich der unbedingte Wille zum
Schutz wehrloser Kinder, nichts mehr gilt, wie sollen wir selbst uns dann noch
voreinander schützen?
Erinnern wir uns an die dunkle Zeit des kollektiven Verbrechens, an die
Jahre des Nationalsozialismus: Es war die letzte mitteleuropäische Epoche, in
der Kinder ganz bewusst einem skandalösen politischen Ideal geopfert wurden.
Und werfen wir dann einen Blick auf die heutige Realität: Österreich und
Deutschland sind die einzigen europäischen Länder, in denen Abschiebehaft gegen
Kinder verhängt wird.
Mein Großvater hat immer gesagt: „Lieber gut schlafen als gut essen.“
Und er hatte Recht, weil nun einmal ein voller Bauch ein intaktes Rückgrat
nicht ersetzen kann. Wir müssen es achten und pflegen, unser Gewissen, wir
müssen es behüten, weil es uns vor der Verrohung und vor der Entmenschlichung
behütet.
Dieser Staat, diese Gesellschaft sind wir alle. Daher ist es unser aller
Pflicht, gegen das Unrecht aufzustehen, das mit unseren Stimmen, in unserem
Namen begangen wird. Wer heute schweigend wegsieht und morgen behauptet, er
habe von nichts gewusst, der hat die Bezeichnung „menschlich“ nicht länger
verdient.
Stefan Slupetzky
Autor und Musiker - Wien
Wir sind das Volk
überschreibt
Arnulf Häfele seinen Gastkommentar in den „Vorarlberger Nachrichten“ vom
8. März 2010,
in dem er sich mit den Ereignissen in Röthis bei der
versuchten Abschiebung der Familie Durmisi in den
Kosovo befasst. Darin schreibt er unter anderem:
„Über 350 Nachbarn und
Freunde haben sich mit ihrer Unterschrift für die Familie eingesetzt. Wann hat
denn ein Österreicher das letzte Mal soviel Zustimmung von seinen Bekannten
erfahren? Es geht nicht mehr um die Familie aus dem Kosovo. Es geht vielmehr um
ihre österreichischen Freunde und Bekannten, die diese Familie liebgewonnen haben und sie nicht missen möchten. ….“
Ein
Wort zur Heiligkeit
„In der jüdisch-christlichen Tradition kommt dem Schutz
des Fremden, des Flüchtlings, zentraler Stellenwert zu. „Einen Fremden sollst
du nicht ausbeuten, und du sollst ihn nicht unterdrücken“ (Ex 22,20). Der theologische
Rang dieser Schutzbestimmungen ist kaum zu übertreffen. Sie haben dasselbe
Gewicht wie religiöse und kultische Normen: Sie gehören zur Gottesbeziehung
selbst. Nähe zu Gott und Benachteiligung der Fremden sind unvereinbar. Der
Bruch des Rechts der Fremden trennt von Gott.
Nirgendwo wird in der Bibel davon gesprochen, dass Fremde ihr Recht auf Schutz
verwirken könnten, wenn sie sich nicht ordnungsgemäß benehmen. Nicht der
Schutzsuchende, sondern die Mächtigen sind Adressanten der biblischen Mahnung.
„Du sollst das Recht des Fremdlings und der Waise nicht beugen.“ Das sollte
wissen, wer im Jahrestakt das Fremdenrecht zurechtbiegt – wenn denn schon die
Heiligkeit beschworen wird.“
Michael Chalupka
– Direktor der Diakonie Österreich
aus: Die Presse – 13.
Februar 2010
Alle Augenblicke neue
gesetzliche Regelungen
„Ich verstehe nicht, warum
im Bereich des Asylrechts und des Fremdenrechts alle Augenblicke neue
gesetzliche Regelungen erforderlich sein sollen. Allein im Jahre 2009 ist das
Asylgesetz dreimal novelliert worden, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz
viermal. Und jetzt haben wir schon wieder eine neue Debatte.
Sie werden von mir keine
Beurteilung von Politikern hören. Aber ich verstehe nicht, warum in einem so
heiklen Bereich ständig ein neues Thema aufgebracht wird. Jetzt wird es so
dargestellt, als ob Asylwerber, die untertauchen, das Hauptproblem sind.
Ich nehme das ganz anders
wahr: Seit es die Neuregelung des Rechtsschutzes von Asylwerbern gibt, seit Mitte
2008, haben wir 5000 Entscheidungen in Asylfällen getroffen. In zwei Drittel
dieser Fälle war es so, dass die Asylverfahren fünf, sechs, sieben Jahre und
länger gedauert haben. Und zwar nicht, weil der Betroffene sich mit Händen und
Füßen gewehrt hätte – sondern schlicht und einfach, weil das behördliche
Verfahren so lange gedauert hat. Das ist das wahre Problem. Und in keinem
dieser Fälle ist es für uns deutlich geworden, dass der Asylwerber
untergetaucht wäre. …..
Es muss darum gehen, die
Verfahren zu beschleunigen. Stattdessen aber haben wir hektische Diskussionen
über eine Anwesenheitspflicht. Das ändert am Gesamtproblem nichts.“
Gerhard Holzinger
– Präsident des Verfassungsgerichtshofes
aus: DER STANDARD – 13.
Februar 2010
Kommt einer
von ferne
mit einer Sprache
die vielleicht die Laute
verschließt
mit dem Wiehern der Stute
oder
dem Piepen
junger Schwarzamseln
oder
auch wie eine knirschende Säge
die alle Nähe zerschneidet –
Kommt einer
von ferne
mit Bewegungen des Hundes
oder
vielleicht der Ratte
und es ist Winter
so kleide ihn warm
kann auch sein
er hat Feuer unter den Sohlen
(vielleicht ritt er
auf einem Meteor)
so schilt ihn nicht
falls dein Teppich durchlöchert schreit –
Ein Fremder hat immer
seine Heimat im Arm
wie eine Waise
für die er vielleicht nichts
als ein Grab sucht.
Nelly Sachs (1949)
Die Unterscheidung kann
doch nicht so schwer sein
„Doch die Frage bleibt und
sollte endlich öffentlich gestellt werden, wieso die Polizei, bzw. das
Innenministerium, nicht in der Lage ist, diese berufstätigen gefährlichen
Kriminellen aus anderen Ländern von den hilfsbedürftigen Flüchtlingen zu
unterscheiden? Das dürfte doch wohl nicht zu schwer sein – Alte, Kranke,
Schwangere, Kinder und Jugendliche und Traumatisierte sind wohl eher selten bis
nie eine Bezugsgruppe für die organisierte Kriminalität, denn mit ihnen wäre
sicherlich ein zu großes geschäftliches und finanzielles Risiko verbunden.“
Mag. Kerstin Kellermann –
freie Journalistin in Wien
aus: DIE PRESSE – 10.
Februar 2010
„Es gibt da eine enorme
Diskrepanz:
So hat etwa das große
Unglück in Haiti eine gewaltige Welle an Menschlichkeit und Solidarität
ausgelöst. Gleichzeitig werden über Menschen, die eine andere Sprache sprechen
oder aus einem anderen Kulturkreis zu uns kommen, manchmal erschreckende
Formulierungen verwendet.
Die Österreicher haben sehr
viele Gutpunkte im Umgang mit Flüchtlingen gesammelt, wenn ich an
Ungarn-Flüchtlinge denke, an den Prager Frühling und auch an die hilfsbereite
Haltung gegenüber den ungefähr 80.000 Bosnien-Flüchtlingen.
Gleichzeitig aber sammeln
wir auch – ich sage wir, obwohl man natürlich nicht alle in einen Topf werfen
darf – viele Schlechtpunkte mit einer Haltung, die unserem Bekenntnis zum
europäischen Menschenbild und zur Menschenrechtsdeklaration nicht gerecht wird,
wenn Asylwerber manchmal pauschal als Kriminelle empfunden und bezeichnet
werden.“
Bundespräsident Heinz
Fischer
profil - 1. Feb. 2010
Wir sollten sie
aufnehmen, wie auch wir aufgenommen werden wollen
„Es darf nicht passieren,
dass wir Zuwanderer nur als Wirtschaftsflüchtlinge sehen, die sich bei uns
bequem einnisten wollen. Das sind meist leistungswillige Menschen,
deren kreatives Potential
wir brauchen. …..
Da ist eine feindselige
Stimmung entstanden. Ich weiß nicht, warum man vor Migrationsinteressierten
Angst haben sollte. Im Gegenteil, wir sollten sie aufnehmen, wie auch wir
aufgenommen werden wollen.“
Reinhold Mitterlehner
– Wirtschaftsminister
aus NEWS – 20. Jänner 2010
„Jetzt, wo es um die Herbergsuche für 300 unschuldige, politisch oder religiös verfolgte Menschen geht ….“
Josef Pröll,
Vizekanzler
Maria Fekter,
Innenministerin
(Quelle: DER
STANDARD, 23. und 24.12.09)
Innere
Zerrissenheit, die unchristlich und unsozial machen kann
Siegfried Nagl, ÖVP-Bürgermeister von Graz
Interview in NEWS – 17. Dez.
2009
<Ich fordere auch, dass
Menschen, die mit einem Asylverfahren zu uns kommen, sofort eine Arbeitsmöglichkeit
bekommen, denn sonst ist die Reaktion der Leute: „Die schöpfen nix!“>
>Die Integration ist für
einen Staat eine Chance und nicht vorrangig ein Sicherheitsproblem.>
<Das ist ja eine der
großen Schwierigkeiten, denen eine Ministerin ausgesetzt ist, die für beide
Bereiche, nämlich sowohl Sicherheit als auch Integration, verantwortlich ist:
In diesen Bereichen hast du eine innere Zerrissenheit, die dich bei jeder Frage
gleich unchristlich und unsozial macht. Daher bin ich für eine Trennung der
Bereiche Sicherheit und Integration.>
Wien (epd
Ö) - "Die rechtlichen Bedingungen, unter denen Fremde in unserem Land zu
leiden haben, sind aus unserer Sicht nicht länger hinzunehmen." Das
erklärte die Superintendentialversammlung der
lutherischen Diözese Wien am Samstag, dem 21. November, in einem einstimmigen
Beschluss.
In dem Beschluss fordert die Evangelische Superintendenz
A.B. Wien die politischen Verantwortlichen auf, die asylrechtlichen Verfahren
"fair und zügig abzuwickeln", nach langen Verfahren "großzügig
ein Bleiberecht aus humanitären Gründen zu gewähren, insbesondere, wenn die
Betroffenen gut integriert sind" und "jede Verhängung von Schubhaft
sowie die Dauer jeder Schubhaft gewissenhaft zu prüfen und diese so kurz wie
möglich zu halten". Der Text schließt mit den Worten: "Wir erwarten
uns von Frau Bundesministerin Fekter den Mut zu
humanen Lösungen in Grenzfällen."
Darüber hinaus macht sich die Superintendentialversammlung
in einem ebenfalls einstimmigen Beschluss die Resolution der Generalsynode vom
7. November zu eigen, in der für eine Politik eingetreten wird, "die MigrantInnen, Flüchtlinge und ethnische Minderheiten nicht
benachteiligt oder ausgrenzt", und in der ein großzügigen humanitäres
Bleiberecht gefordert wird.
23.11.2009
Evangelische Kirche: Bleiberecht großzügig anwendenDie Superintendentialversammlung
der evangelisch-lutherischen Diözese Wien fordert einen großzügigen Umgang
mit dem "Bleiberecht aus humanitären Gründen" für in Österreich gut
integrierte Asylwerber.
Die rechtlichen
Bedingungen, "unter denen Fremde in unserem Land zu leiden haben",
sind aus Sicht der Superintendentialversammlung
"nicht länger hinzunehmen." In einem am Samstag einstimmig
angenommenen Beschluss fordert die Superintendenz
Wien die politisch Verantwortlichen auf, die asylrechtlichen Verfahren
"fair und zügig abzuwickeln" und nach langen Verfahren
"großzügig ein Bleiberecht aus humanitären Gründen zu gewähren,
insbesondere, wenn die Betroffenen gut integriert sind". Jede Verhängung
von Schubhaft sei genau zu prüfen "und diese so kurz wie möglich zu halten".
Von Innenministerin Maria Fekter (VP) erwartet die Superintendentialversammlung "den Mut zu humanen
Lösungen in Grenzfällen." Weitere News zum Thema:
- 13. 11. 2009: Fall Zogaj: Caritasdirektor mahnt
Menschlichkeit ein - 09. 11. 2009: Evangelische Kirchen für großzügigeres Bleiberecht Orf Religion |
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News 13. 11. 2009 |
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Fall Zogaj: Caritasdirektor mahnt Menschlichkeit einDer negative
Asylbescheid für Arigona Zogaj
und die in Österreich befindlichen Mitglieder ihrer Familie hat den Linzer
Caritasdirektor Mathias Mühlberger zu einem Appell zu mehr Menschlichkeit
veranlasst.
Nach der getroffenen
juristischen Entscheidung seien die verantwortlichen Politiker angehalten, im
Umgang mit der Familie Menschlichkeit walten zu lassen, sagte Mühlberger am
Freitag. Der Caritasdirektor appellierte an das Einfühlungsvermögen der
Verantwortlichen. Es sei wohl für jeden Menschen nachvollziehbar, dass die
gesamte Situation, das lange Warten auf eine Entscheidung und jetzt der
negative Bescheid für ein junges Mädchen, ihre Mutter und die Geschwister eine
enorme psychische Belastung darstelle. Solidarität mit den Zogajs sei notwendig. "Als Christen sollte es eine
Selbstverständlichkeit für uns sein, dass wir gegenüber Menschen in einer
derartigen Krisensituation Mitgefühl zeigen und sie in ihrer Not nicht
alleine lassen", so Mühlberger. Mehr zum Thema: - oe1.ORF.at: Funk: "Zogajs
haben kaum Chancen" - oe1.ORF.at: Bleiberecht - totes Recht? |
Kain antwortet auf Gottes
Frage nach seinem Bruder Abel mit den Worten: „Bin ich denn der Hüter meines Bruders?“
Diese Frage bringt immer noch die moralische Frage des Menschseins auf den
Punkt:
Welche Verantwortung haben
wir füreinander?
Gerne drehen wir die Frage
um und stellen ein für alle Mal fest, wofür wir nicht verantwortlich sein
können. Noch beliebter ist die rasche Klärung der Schuldfrage.
Sie trägt zwar nichts zur
Lösung der Probleme bei, ermöglicht aber eines mit Sicherheit: die Feststellung
der eigenen Unschuld. Ist ein Sündenbock einmal vor die Stadt getrieben, stellt
sich die Frage der Mitverantwortung nicht mehr.
Vor sieben Jahren kam Arigona Zogaj mit ihrer Mutter
und ihren Geschwistern nach Österreich. Illegal. Zumal sie offensichtlich nicht
als Asylwerber durchgehen konnten, hätten sie umgehend zur Rückkehr in den
Kosovo verpflichtet werden müssen.
Das ist nicht geschehen. Und
damit erreicht die Causa eine andere Qualität: Durch miserable Gesetze und noch
schlimmere Verfahrensmängel hat die Republik ermöglicht, dass Arigona Zogaj zu einer Bürgerin
dieses Landes wurde, die – insbesondere sprachlich – nicht mehr von anderen
Oberösterreicherinnen ihres Alters zu unterscheiden ist; eine solche Frau nach
sieben Jahren abschieben zu wollen, ist daher ein einziger Zynismus.
Johannes Huber (VORARLBERGER
NACHRICHTEN / 14./15. Nov. 09 – „Arigona Zogaj muss bleiben“)
Abgeschoben, weil sie
bleiben wollten
DER
STANDARD vom 2. Oktober 2009 bringt unter dieser Überschrift einen Bericht aus
dem auszugsweise zitiert wird:
<Die aus dem Kosovo
stammenden Familie P. war in der steirischen Gemeinde Semriach
das, was man als gut integriert bezeichnet. …………..
Die Familie, die 2005 nach
Österreich kam und einen Asylantrag stellte, der 2007 negativ beschieden wurde,
hatte Beschwerde dagegen eingebracht. Diese wurde im Mai 2009 abgelehnt. Sofort
stellte man Antrag auf humanitären Aufenthalt. Semriacher
sammelten Unterstützungserklärungen. Doch noch während das Verfahren lief wurde
die Familie im Juni abgeschoben. ………………….
Roland Frühwirth
von der Grazer Rechtsanwaltskanzlei Kocher&Bucher,
der die Familie vertritt, erklärt, was in diesem Fall, der stellvertretend für
hunderte steht, die „Paradoxie der bisherigen Regelung“ besonders deutlich
macht: Die Anträge der Familie P. wurden nach der Abschiebung abgewiesen, „weil
eine Entscheidungsvoraussetzung zum Entscheidungszeitpunkt nicht vorgelegen“
sei. Nämlich: „Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet!“
Wo kommen solche Bescheide
zustande? ……. Frühwirth erklärt den „normalen“
Vorgang: „Die Behörde nimmt die Bleiberechtsanträge entgegen, behandelt diese
aber nicht, schafft die Person außer Landes und braucht sich so nicht mehr mit
dem Antrag auseinandersetzen.“
……………..
Montafoner Bürger-Initiative:
„für eine sinnvolle,
menschliche und vernünftige Vorgangsweise“
In einer Presseaussendung der
Vorarlberger Grünen – veröffentlicht auf vol.at
am 2. Sept. 09 fordert Landtagsabgeordnete und
Integrationssprecherin Karin Fritz klare, menschliche Gesetze und rasche
Hilfe für Asylwerber in Vorarlberg und nimmt auch Bezug auf die Plattform „wir-brauchen-diese-kinder“
„Von den 900 Asylwerber/innen in
Vorarlberg warten rund 300 Personen schon mehr als 5 Jahre auf den Abschluss
ihres Asylverfahrens. Diese Zeit der Ungewissheit und der Unsicherheit, in der
diese oft stark traumatisierten Menschen keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben,
ist für die Asylwerber/innen eine große Belastung. Das neue Bleiberecht bietet
hierfür keine wirkliche Lösung und wird offensichtlich sehr restriktiv
gehandhabt, denn in Vorarlberg haben bisher gerade einmal 7 Personen das
Bleiberecht erhalten. …
Fälle wie der der
Familie Krasniqi sind kein Einzelfall. Sie zeigen,
dass das Asylgesetz unausgegoren, unmenschlich und wirtschaftlich unsinnig ist.
Da werden Asylanträge abgelehnt, obwohl wie in diesem Fall offenbar Gefahr für
die Menschen in ihrem Land droht, da werden gut integrierte
Familien, tüchtige Familienväter und fleißige Schüler/innen abgeschoben
Auf Grund
dieser unsinnigen Regelungen sind schon mehrfach Mitbürger/innen aktiv
geworden. Jetzt im Falle der Familie Krasniqi, vor
einigen Monaten hat sich aus ähnlichen Gründen eine breit unterstützte Bürger/innen- Initiative im Montafon
gebildet, die sich mit ihrer Aktion „Wir brauchen diese Kinder“ für eine
sinnvolle, menschliche und vernünftige Vorgangsweise einsetzt. Die
Landesregierung wiederum betont die Zuständigkeit des Bundes statt sich für
menschliche Lösungen hier im Land stark zu machen.“
Texte der Autorin Elisabeth Marx
für die Initiative WIR-BRAUCHEN-DIESE-KINDER
Schrei des Herzens
die Frage auf
den Lippen Geknechteter
sucht wache Ohren
empfindsame Seelen
aufrichtige Hände
geduldige verstehende Zuhörer
gereift in der Weisheit
selbst geweinter
Tränen
Arroganz
päpstlicher als der Papst
weiser als Salomos Katze
göttlicher als Gott
solange der Mensch diesem Hochmut frönt
wird Hochmut vor Mut
Herrschen vor Dienen
Richten vor Recht
Werten vor Akzeptieren
Befehlen vor Einsehen
Ablehnung vor Verstehen
Verletzen vor Berühren
Macht vor Stärke
Krieg vor Frieden stehen
Die
Generalversammlung der IG Autorinnen Autoren Österreichs
beschloß auf der Generalversammlung am 22.2.2009 folgende
Resolution:
Recht muß
Recht bleiben,
heißt es immer öfter
Aber: Gesetz muß nicht Gesetz bleiben, Gesetze können, ja müssen
geändert werden, wenn sie Gefahr laufen, nichts mehr mit der Welt zu tun zu
haben, der sie Entstehung und Geltung verdanken. Nicht einmal entschlossen
rückwärtsgewandte Utopisten würden sich wünschen, in einem Staat zu leben, in
dem die Gesetze von 1909 gelten. Gesetz und Recht können in Konflikt geraten,
das dürfen wir gerade in einem Land wie unserem nie vergessen, indem
pünktlichste Gesetzestreue das denkbar größte Unrecht ermöglichte.
Wird die Sprache ungenau,
dann wird allzu leicht auch das Denken nebulos und unscharf. Die Begriffe Recht
und Gesetz sind nicht gleichbedeutend, es gibt Überschneidungen, aber auch
eindeutige Unterschiede. Gesetz behält im Plural seine Bedeutung ohne Wenn und
Aber, Rechte hingegen könnte man als eine Erweiterung von „Recht“ betrachten,
als Voraussetzung für mögliche Gerechtigkeit sogar. (Natürlich nur unter der
Bedingung, daß es sich um den Plural von Recht
handelt.) Wozu schon Goethe wußte, dass gute Gesetze
zwar eine Vorbedingung, aber keineswegs eine Garantie für Gerechtigkeit
darstellen: „Einen tüchtigen Mann zu haben, der den Leuten Recht sprechen soll
und vor lauter Recht nicht zur Gerechtigkeit kommen kann.“
Es ist gefährlich, in
Paragraphen gegossene Gesetze mit Recht als absolutem Wert gleichzusetzen, weil
da die Gerechtigkeit auf der Strecke bleiben muß.
Gesetze unterliegen einer Hierarchie, von den Verfassungsgesetzen an der Spitze
bis zu Verwaltungsgesetzen am unteren Ende. Daß
kodifiziertes Recht nicht dazu verurteilt ist, zwar dem Kodex zu genügen, aber
Gerechtigkeit unmöglich zu machen, liegt am Ermessensspielraum – der vielleicht
mit den Leerstellen in der Literatur vergleichbar ist. Gleichzeitig liegt in
diesem Ermessensspielraum auch die Gefahr eines Mißbrauchs.
Wer die Macht hat, hat das
Recht, sagt ein sowohl resignatives als auch
zynisches Sprichwort. Dem wäre entgegenzusetzen, dass vor dem Mißbrauch der Macht zu schützen eine der vornehmsten
Aufgaben des Rechts ist. Ganz sicher ist es ein Mißbrauch
des Rechts, sich hinter Gesetzesparagraphen zu verstecken, um eigene Interessen
durchzusetzen. Dieser Mißbrauch öffnet dem oft
beschworenen Werteverlust eine breite Bresche und gefährdet die Grundpfeiler
unserer Demokratie.
„Gesetz und
Recht können in Konflikt geraten, das dürfen wir gerade in einem Land wie
unserem nie vergessen, indem pünktlichste Gesetzestreue das denkbar größte
Unrecht ermöglichte.“
Wenn Recht der
übergeordneten Kategorie Menschenrecht widerspricht
„Recht muß
Recht bleiben“ ist wohl eine Farce, wenn das Recht, auf das man sich dabei
beruft, der übergeordneten Kategorie des Menschenrechts widerspricht. Recht,
das auf Unrecht basiert, kann auch durch ständige Wiederholung nicht
legitimiert werden.
Die IG Autorinnen Autoren
hat schon vor Jahren gemeinsam mit zahlreichen anderen Kulturorganisationen in
Österreich zu einer großen Bleiberechtsdemonstration aufgerufen, sie wiederholt
ihren Ruf nach einem humanitären Bleiberecht insbesonders
für diejenigen, die sich auf Grund der Dauer von Aufenthaltsverfahren bereits
seit Jahren in Österreich befinden und hier groß geworden sind, sich also als
Österreicher, ganz im Sinne der meisten typischen Österreicher, die ihre
Wurzeln außerhalb unseres Landes haben, verstehen können.
Renate Welsh, Anna Migutsch, Gerhard Ruiss, Gerhard Altmann,Georg Bydlinski, Manfred Chobot, Margit
Hahn, Andreas Kövary, Nils Jensen, Wolf Käfer,
Johanna König, Ludwig Laher, Heinz Lunzer, Werner Richter, Simone Schönett,
Peter Paul Wiplinger, O. P. Zier, Sylvia Treudl, Simone Stiller – Unabhängiges Literaturhaus
Niederösterreich
14.1.2009
„Österreicher, ganz im Sinne der meisten
typischen Österreicher, die ihre Wurzeln außerhalb unseres Landes haben……“
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